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"Containertagebuch 4"
Berichte |
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Heut (11.) war eine junge Afghanin in meinem
Erste-Hilfe-Container, mit Magen-Darm-Problemen. Bei der
Bauchinspektion fiel mir eine große Unterbauch-Schrägnarbe auf. Auf
Frage: Sie ist an der Niere operiert worden. Nochmal Nachfrage:
Nierenexplantation zwecks Reisefinanzierung. Wie mir ein Kollege
berichtete, war sie nicht die einzige. Der junge Mann, den mein Kollege
untersuchte, hat seine eine Niere für 30.000 verkauft und in der
verbliebenen jetzt Steine … |
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Zwischendrin frag ich mich ja schon, warum die Leute alle nach Schweden wollen. Insbesondere wenn ich auf Grund meiner haus/notärztlichen Tätigkeit in unserem provisorischen Erste-Hilfe-Container der Meinung bin, dieser Mensch (Schwangere mit Komplikationen / krankes Kind / Mensch mit Lungenentzündung) sollte sich jetzt mal dringend ein paar Tage ausruhen, und wenn es im Massenschlafsaal einer Hamburger Erstaufnahme oder einem Krankenhaus ist. Aber die meisten wollen weiter, weiter, weiter – auch aus Angst, dass der Grenzübertritt demnächst noch schwieriger wird als jetzt schon. |
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Manche haben Angehörige in Schweden, dann versteh ich natürlich, dass sie da auch hinwollen. Aber andere haben einfach gehört, dass es da besser ist als hier, und davon bin ich jetzt nicht mehr unbedingt überzeugt. Insbesondere wenn die Leute in ein entlegenes Dorf nördlich des Polarkreises einquartiert werden, wo es Monate nicht richtig hell wird – die ersten sind schon zurück geflüchtet nach Deutschland. | ||||
Schwedische Faschisten haben auf Lesbos Flugblätter verteilt, in denen sie Flüchtlinge davon abhalten wollen, nach Schweden zu kommen. Natürlich wissen die Betroffen inzwischen auch, dass es sich bei den Autoren um Migranten hassende Hetzer handelt, gehen folgerichtig davon aus, dass das Gegenteil von dem richtig ist, was auf den Flugblättern steht, und kommen jetzt erst recht. Ähnliches erreichen die Herren de Maiziere und Seehofer mit ihren Tiraden von wegen Grenzen dicht und Familiennachzug verbieten - die Menschen machen sich in Panik auf den Weg, bevor es womöglich zu spät ist. | ||||
Heißt also, alle diese Herrschaften erreichen so das Gegenteil
von dem was sie bezwecken wollen. Schlimmer noch: Wenn jetzt ein
Wohlmeindender wie ich einzelnen Flüchtlingen einen guten Rat
hinsichtlich ihres weiteren Reisewegs geben will (z.B. sich zwecks
Genesung in Hamburg registrieren zu lassen und hier zu bleiben), hören
sie darauf womöglich auch nicht mehr. |
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Einem Flüchtling, mit dem man darüber reden kann, und der keine Angehörigen in Schweden hat wo er unbedingt hinwill, rate ich inzwischen von einer Weiterreise nach Schweden ab. |
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Im übrigen gibt es in Deutschland noch einiges an freien Gebäuden, so in Heidelberg nach dem Abzug der US-Truppen. Es ist zwar ein kleiner Teil davon für Flüchtlinge eingerichtet worden, im wesentlichen die abgelegene ehemalige US-Siedlung Patrick Henry Village und ein einzelner Bau im ausgedehntes Gelände der Patton Baracks, aber es steht noch jede Menge leer, was schon angesichts der Wohnungsnot für Studenten ein Verbrechen ist. Warum die, zusammen mit den Flüchtlingen, diese schönen Gebäude nicht besetzen, ist mir ein Rätsel. Der OB will, am Gemeinderat vorbei, dieses Gelände meistbietend an Spekulanten verschachern. | ||||
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Das ehemalige US-Headquarter, Heidelberg Römerstraße (Bild: © E. Soldan) | ||||
Leer stehende Gebäude der Patton Baracks, Heidelberg-Kirchheim (Bild: © E. Soldan) | ||||
Lichtblick: |
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Bis demnächst ! | ||||
Der Soldan-Bericht 4 als PDF zum Download: ——> | Klick hier! | |||
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Letzte Änderung: 31/12/17 |
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