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"Containertagebuch 6"

Berichte
des Norderstedter Hausarztes
Ernst Soldan über seine Arbeit
mit Geflüchteten und Obdachlosen

 

 

   
   
       
18.11.2015
13:28
 

Mein Verhältnis zu Chefärzten ist etwas zwiespältig. Als Kollege ganz passabel, da wollen sie schließlich was von mir, vor allem könnte ich ihnen ja Patienten zuweisen, meistens zahlende, gelegentlich sogar privat Versicherte – dann sind sie sogar so nett und nehmen mir mal einen Unversicherten ab (zu ihrer Ehrenrettung muss gesagt werden: Bisher haben sie mir alle abgenommen!).

   
    Mein eigenes Gesundheitsverhalten hingegen sehen sie eher kritisch - früher v.a. als Student haben sie mir freundlich auf den Bauch geklopft und was von Abnehmen erzählt.
Aber jetzt hat ein Chefarzt der Psychiatrie aus Köln mir (wenn auch nicht persönlich) bestätigt, dass mein Gesundheitsverhalten genau richtig ist. Und mir geht’s auch gut – OK dazu hätte ich jetzt nicht den Chefarzt und Theologen Manfred Lütz gebraucht bzw. bin ich auch allein drauf gekommen:
FLÜCHTLINGE BETREUEN MACHT GLÜCKLICH!
   
         
    Ich könnte im Umkehrschluss natürlich auch den Pegidisten auf ihrer nächsten Zusammenrottung ein Transparent entgegen halten: Achtung, Rechts-sein schadet Ihrer Gesundheit – und das lasse ich dann lieber: Könnte wiederum nicht gut für meine Gesundheit sein, so wie die drauf sind.    
         
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Inzwischen haben wir eine mehrstöckige Dokumentenablage auf dem Schreibtisch d.h. es wird immer komfortabler. Allein die Dolmetscherin vermissen mein Kollege und ich schmerzlich - zeitweise behelfe ich mich mit meinem Bröseltürkisch und dem, was bei den Flüchtlingen von ihrem Türkeiaufenthalt hängen geblieben ist.
   
    Ein schon geschwächtes hustendes Kleinkind wollen wir im Krankenhaus vorstellen, was wegen des abfahrenden Zuges unterbleibt – das von mir in Eigenbau zusammengebastelte Einweisungsformular hatte ich schon ausgefüllt, dadurch dass es mein Kollege als Vorlage nutzen kann war das nicht ganz für die Katz. Wenigstens hatte ich noch nicht in der Klinik angerufen; es ist nicht das erste Mal, dass der Fahrplan meine Bemühungen durchkreuzt.    
         
    Beim nächsten Kind, etwa 9 Monate alt – so genau wissen die Eltern das selber nicht – bestehe ich trotz Zugabfahrt (aber erst in 50 Minuten !) auf einer Untersuchung. Die bringt zwar ausser der üblichen Erkältung nichts, aber ich hab bei meiner Medikation ein besseres Gefühl, als wenn ich nur wie gewünscht Paracetamol verteilt hätte. Die Mutter bekommt ein bissl mehr als sie ursprünglich gewollt hatte, so haben wir beide etwas davon. Und der Vater, mit dem ich mich 10 Minuten herumgestritten hatte, um die Untersuchung überhaupt machen zu können, bedankt sich bei mir.    
         
   

Irgendwann fahren drei Polizeibusse auf, samt Besatzung. Früher, im Hüttendorf von Gorleben oder an der Frankfurter Startbahn West, wäre ich jetzt sehr beunruhigt gewesen. Jetzt geh ich auf die Herrschaften zu, stelle mich vor und frage nach dem Grund ihrer Anwesenheit. Sie, ebenfalls freundlich, erklären, dass das nichts mit den Flüchtlingen zu tun habe ("Sie können sie beruhigen", was ich auch zusage), sondern mit der allgemein angespannten Sicherheitslage, schliesslich sei hier der Hauptbahnhof und nächsten Montag ein Großereignis, nämlich der Staatsakt für Helmut Schmidt.

   
    Im Moment beruhigt auch mich die Polizeianwesenheit eher, so ändern sich die Zeiten. Wobei meine Besorgnis eher Naziüberfällen gilt als Dschihadistenangriffen – allein Nazis sind nicht so suizidal veranlagt als dass sie hier angreifen würden; die glauben nicht an 70 Jungfrauen im Jenseits, und wenn doch, dann nicht daran, dass es sich dauerhaft um Jungfrauen handelt.    
       
    Bis demnächst !    
         
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Letzte Änderung:
31/12/17


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