Zur Startseite


"Containertagebuch 14"

Berichte
des Norderstedter Hausarztes
Ernst Soldan über seine Arbeit
mit Geflüchteten und Obdachlosen

   
   
   
24.12.2015      
    Wenn jetzt bei einzelnen Flüchtlingskindern eines ihrer ersten deutschen Worte „Schlompf“ oder etwas ähnliches sein sollte, dann wisst Ihr, wer dran schuld ist …    
         
   

Aber nicht nur die Ankommenden, sondern auch unsereins muss sich sprachlich weiterbilden; zu diesem Zweck hab ich jetzt einen kleinen Spickzettel erstellt und an unsere Wand gepinnt. Weil es, auch wenn ich mit einer Super-Dolmetscherin zusammenarbeite, einen guten Eindruck macht, wenn ich wenigstens ein paar Brocken in der Muttersprache meiner Patienten sagen kann.

   
         
   
    A heißt Arabisch, F Farsi (für Afghanen),
unterstrichene Silben werden betont
   
         
    Von einer syrischen Mutter hab ich heute erfahren, dass man auch dort Schlümpfe kennt, oder zumindest die Namen einzelner Figuren (die mir, da kinderlos und erst im Erwachsenenalter mit der Welt der blauen Männchen konfrontiert, unbekannt geblieben sind). Den Sammelbegriff auf Arabisch konnte sie mir nicht nennen, bzw. reichte dazu ihr Bröselenglisch und mein noch rudimentäreres Arabisch nicht.    
         
    „Ich bin jetzt Arzt und kein Mann“, der Satz wurde uns bei der letzten Fortbildung ans Herz gelegt für den Fall, dass es mal sinnvoll wird, eine Frau zum Herunterlassen ihrer Hosen zu bitten, z. B. weil man Hämorrhoiden vermutet. Oder, das betrifft jetzt nicht mich, weil ich mich da aus fachlichen Gründen raushalte, ein gynäkologisches Problem im Raum steht. Bei der Untersuchung muslimischer Frauen hatte ich noch nie Probleme, meistens geht’s ja nur um Herz/Lunge-Abhören oder Bauch-Abtasten. Manche Kollegen äußern da ja massive Ängste und befürchten Aggressionen der männlichen Angehörigen, was ich aufgrund meiner Erfahrungen überhaupt nicht nachvollziehen kann.    
    Was den umgekehrten Fall beträfe, Ärztin und Mann, der die Hose runterziehen müsste, gibt es keinen solchen Zaubersatz. Dolmetscherin H. erklärt mir, ein orientalischer Mann macht das entweder ohne Diskussion, oder überhaupt nicht.    
         
       
    Da die einst auf diesem Tisch gewickelten Kinder inzwischen in die Schule gehen, ist dieses gute Stück
bei uns besser aufgehoben.
   
   

 

   
   
    Und seit gestern wird die Wandabstellfläche aufgrund neuer Möbelspenden knapp, …    
       
    … so dass unser gutes altes Pappregal ausgedient hat.    
         
    Immer wieder kommen Menschen zu uns, die misshandelt wurden. Zufälligerweise entdecken wir (H. schneller als ich) beim Lunge-Abhören kleine Striemen quer zum Rücken wie von Peitschenschlägen, was der Begleiter des 17jährigen afghanischen Patienten auch bestätigt. Mehr sagen möchten beide nicht, und wir fragen nicht weiter, schließlich können „Tiefenbohrungen“ akute heftige Rückerinnerungen, sogenannte Flash-Backs oder Retraumatisierung, auslösen, und damit ist niemandem geholfen.    
         
    Was der junge Syrer hinter sich hat, der heute gegen Ende der Sprechstunde wild gestikulierend zu uns hereinkommt, bekommt auch H. nicht heraus, dafür erkenne ich bald auch ohne ausreichende Sprachkenntnisse, dass der Mann eine böse Psychose hat. Er erklärt umständlich, dass man ihm übel mitgespielt habe, auch hier in Deutschland, und wir sollten ihm ein Zimmer mit einem Bett besorgen, wo er seine Ruhe habe. Ich lasse ihm erklären, dass ich als Arzt ihm ein solches Zimmer nur im Krankenhaus besorgen könne, und damit ist er einverstanden.    
         
    PS
Das war jetzt vor Weihnachten mein letzter Dienst im Bieberhaus – und der letzte Bericht. Aber natürlich geht es danach weiter!
Schließlich sind grad für die Flüchtlingsarbeit des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes über 2,25 Millionen Euro gespendet worden, das Hamburg-Journal des NDR hat am 21.12. über die Scheckübergabe berichtet:
   
   

Der entsprechende Ausschnitt des NDR-Beitrages kann auch als mp4-Datei abgeholt werden: Klick hier! [Red.]

   
       
    Bis demnächst !    
         
    Der Soldan-Bericht 14 als PDF zum Download: ——>   Klick hier!
   

Zum Inhaltsverzeichnis (Liste) ——>

Zur Eingangsseite ——>

 

klick hier!

klick hier!

   
   
Letzte Änderung:
31/12/17


Impressum – Haftungsausschluss