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"Containertagebuch 16 b"

Berichte
des Norderstedter Hausarztes
Ernst Soldan über seine Arbeit
mit Geflüchteten und Obdachlosen

   
   
   
       
10.1.2016  

Liebe Fans,
Euch allen noch ein gutes 2016, ich hab schon fast vergessen, dass wir ein neues Jahr haben.
Wie üblich möchte ich alle neuen Tagebuchfans begrüßen – den Container gibt's zwar nicht mehr, aber einen neuen zugkräftigen Titel hab ich noch nicht, und Carlo aus Hof, auf dessen Seiten Ihr die früheren Teile früher lesen konntet, meint das kann erstmal so bleiben [angepasst am 5.12.17, Red.]..
Einen schönen Restsonntag wünscht Euch
Ernst.

Nach dem Tod der Hamburger Volksschauspielerin Heidi Kabel zog das Ohnsorg-Theater in den linken Seitenflügel des Bieberhauses, dazu wurde 2011 ein Tel des Hachmannplatzes, benannt nach dem ehemaligen Hamburger Bürgermeister Gerhard Hachmann (1838 bis 1904), in Heidi-Kabel-Platz umgetauft.
   
         
   
         
   

Das ist wichtig für den Fall, dass ich einen Rettungswagen ins Bieberhaus bestellen muss, denn dann weiß vielleicht der Feuerwehrzentralist, wo das Bieberhaus ist, kann es aber nicht in seinen Computer eingeben, denn der kennt nur Straßen und Hausnummern. Und ohne Computereintrag kann er keinen Wagen losschicken.
Also Heidi-Kabel-Platz – aber Hausnummer steht unten keine dran …
 Ich erfand beim ersten Einsatz die Nummer 1, der Rettungswagen kam auch pünktlich. Später hab ich herausgegoogelt, dass die Nummer 1 für das Ohnsorg-Theater steht …

   
     
Gestatten, Heidi Kabel  

… und wir sind die Nummer 2.
Einer ordnungsgemäßen Rettungswagenanforderung steht also nichts mehr im Weg.

1. Januarwoche
Die verschärften Grenzregimes der skandinavischen Länder haben sich insofern bemerkbar gemacht, dass immer mehr Leute kommen, die nicht wissen, wie es weiter geht. Der Vater ist vielleicht schon in Norwegen, Schweden oder Finnland, und die Restfamilie kampiert hier tagsüber im Bieberhaus, nachts in einer Kirchengemeinde, Moschee oder auch im gegenüberliegenden Schauspielhaus, wenn der Theaterbetrieb zu Ende ist.

So eine unglückliche Familie hatte ich am Mittwoch wieder vor mir, Kurden aus der Nähe von Suleymaniya, denen der IS das Haus abgebrannt hat – die Mutter hat davon üble Brandnarben zurückbehalten, der Rest der Familie kam unverletzt raus. Vater bereits in Norwegen, die siebenjährige Tochter ist jetzt durch einen Infekt so geschwächt, dass sie getragen werden muss und ich sie ins Krankenhaus einweise, mit Rettungswagen (siehe oben). Derweil legt mir der junge Onkel einen Wust Papier vor, winzige eingeschweißte irakische Identitätskarten in Arabisch und einen Stapel Registrationsdokumente aus Griechenland, Mazedonien und Serbien (wo sie vor vier Tagen noch waren). Und fragt mich, wie sie damit jetzt nach Norwegen kommen. Das weiß ich natürlich auch nicht, und verweise ihn an die Sozialberatung, die den aufgelösten Infotisch ersetzt hat. In Einzelfällen stellen Hamburger Behörden dann Ersatzdokumente aus, aber das dauert.

Dann gibt's eine neue Komplikation, nämlich die RTW-Besatzung darf nur eine Begleitung mitnehmen. Ich beschließe, den Onkel mitzuschicken, der ein bissl englisch spricht, und die Mutter samt kleinem Bruder einer Helferin anzuvertrauen, die sie mit dem HVV hinterher bringt. Das Fahrgeld legen wir zusammen, denn unsere Sozialberatung hat noch kein Geld.
Später ruft die Helferin aus dem Krankenhaus nochmal an, unter welchem Familiennamen ich das Kind eingewiesen hab, denn in kurdischen Familien haben die Frauen oft andere Familiennamen als die Ehemänner (und die Kinder). Da kann ich helfen, und zwei Tage später meldet sich das Krankenhaus, wir könnten die Familie wieder abholen, dem Kind geht's gut.

   
         
 

P.S.
Gehhilfen haben wir inzwischen genug, also bitte erstmal keine mehr spenden.

Was wir brauchen, ist Geld, Kohle, Penunzen …
Ohne Moos nix los, der Paritätische hat zwar bundesweit vor Weihnachten mit Hilfe des NDR 2,25 Millionen an Spenden zusammengekratzt, das geht aber eben nicht nur nach Hamburg (mW. bekamen wir hier 300.000). Und davon müssen nicht nur die inzwischen vier hauptamtlichen Helfer/innen (zu denen ich NICHT gehöre, mich bezahlt die ärztliche Rentenversicherung) finanziert werden, sondern auch der Medikamentennachschub, der ständig schrumpft, und diverses andere, was ich nicht überschaue.

Also bittschön:

Bank für Sozialwirtschaft
Kontonummer: 7401800
BLZ: 251 205 10
IBAN: DE07 2512 0510 0007 4018 00
BIC: BFSWDE33HAN
Empfänger:
Der Paritätische Wohlfahrtsverband,
Gesamtverband e.V.

Verwendungszweck: Flüchtlingshilfe Hamburg Hauptbahnhof könnte man noch draufschreiben. Dankschön, shukran, tashakor
   
       
    Bis demnächst !    
         
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Letzte Änderung:
31/12/17


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