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"Containertagebuch 22"
Berichte |
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15.2.2016 |
Abenteuerreise nach Norderstedt-Mitte |
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Heut war wieder die afghanische Großfamilie da, die auf Dokumente wartet, um doch noch nach Schweden weiter reisen zu können. Das vier Monate alte Baby hustet noch immer, wobei es ansonsten topfit und quietschfidel ist. Wobei die Mutter „beiläufig“ berichtet, dass vor vier Wochen ein iranischer oder türkischer Grenzsoldat einen Mitflüchtling erschossen hat, bei dem der Kleine grad auf dem Schoß saß. Schluck … Das Baby sei voll gewesen mit Blut und Splittern, habe aber sonst nichts abgekriegt. Ob der Husten damit etwas zu tun hat? Ich glaub’s nicht, aber ausschließen kann ich es nicht, und etwas daran machen könnte man jetzt auch nicht mehr. Das volle Programm Asthmatherapie hat meine Kollegin schon veranlasst. |
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Die Zahnschmerzen der 14jährigen haben seit Freitag noch
zugenommen, deshalb veranlasse ich einen Termin bei einem Zahnarzt, der
das noch heute und umsonst macht. Da meine diesbezüglichen Kontakte in
Norderstedt d. h. eine dreiviertel U-Bahn-Stunde vom Hauptbahnhof
entfernt liegen, organisiere ich auch gleich eine Blutentnahme in
meiner benachbarten alten Praxis. Zarife kann nicht mitfahren, da
Amtstermin, so bring ich die Schwestern allein hin. |
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Der Zahnarzt nimmt die 14jährige, die die ärgeren Schmerzen hat, gleich dran – da nicht versichert und keine Rechnung, entfällt die aufwendige Computerdokumentation. Die Zähne schauen gepflegt aus (kein Vergleich mit dem Bruch, den ich bei anderen Flüchtlingen gesehen hab), lediglich einer hat ein Loch, was die Schmerzen erklärt. Der Zahnarzt sagt auf Deutsch, was er macht („jetzt gebe ich eine Schmerzspritze“), ich geb’s in den Google-Übersetzer ein und zeige den in arabisch geschriebenen Text der Schwester, die das übersetzt. Der Zahn wird ausgebohrt und gefüllt, das Mädchen macht keinen Mucks. Wahrscheinlich hat sie schon Schlimmeres erlebt (ein Backenzahn ist im Iran gezogen worden). |
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Die 18jährige Schwester bekommt für den nächsten Tag einen
Termin. Da der Zahnarzt erklärt hat, dass es aus seiner Sicht keine
Blutentnahme braucht, treten wir die Rückfahrt zu Hauptbahnhof an.
Unterwegs will mir die Große etwas erklären, der Googleübersetzer ist
keine Hilfe, schließlich rufe ich eine meiner Telefondolmetscherinnen
an. Ergebnis: Sie habe gar keine Zahnprobleme, aber wahrscheinlich
einen Eisenmangel, ihr würde dauernd schwindlig, und sie wolle doch
eine Blutentnahme. |
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Und schon sitzen wir wieder in der U-Bahn. Nachdem ich über die Dolmetscherin hab fragen lassen, ob die beiden Lust hätten an den Landungsbrücken kurz auszusteigen, machen wir das. Die Mädchen sind beeindruckt. Allerdings kommen der Großen beim Heranpflügen einer Hafenfähre auch Fluchterinnerungen: „Big ship“, sagt sie, und dann „Small ship Turkiye-Junan“, sie meint die Überfahrt Türkei-Griechenland in einer Nussschale, macht die Wellenbewegungen nach und dass sie fürchterlich gekotzt hat. |
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Bevor ich die beiden wieder bei ihrer Familie abliefere, machen wir am Hafen noch ein paar Erinnerungsphotos, auf ihren ausdrücklichen Wunsch auch mit mir zusammen. Die Bilder muss ich Euch leider vorenthalten, weil die Mädchen, selbst wenn sie zugestimmt hätten, nicht absehen können, was eine Veröffentlichung im Internet für Folgen haben könnte. |
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Bis demnächst ! | ||||
Der Soldan-Bericht 22 als PDF zum Download: ——> | Klick hier! | |||
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Letzte Änderung: 31/12/17 |
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