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"Containertagebuch 25"

Berichte
des Norderstedter Hausarztes
Ernst Soldan über seine Arbeit
mit Geflüchteten und Obdachlosen

   
   
   
   
   

 

   
    … Am 27.2. fand wie in vielen Städten auch in Hamburg eine Demo statt, in der wir die sofortige Wiederöffnung der Grenzen gefordert haben. Schließlich herrscht zum Beispiel in 31 von 34 afghanischen Provinzen Krieg, und unser … Innenminister, der Afghanistan zum sicheren Deportationsziel für Geflüchtete erklären will, benötigte, so ein Redebeitrag auf der Demo, auch bei seinem Staatsbesuch am 1. Februar dort auch für kurze Strecken einen Hubschrauber. Und das war gut so, für ihn, sonst hätten wir vielleicht einen neuen gebraucht …    
   

Der Besuch de Maizières wurde von einem Selbstmordanschlag in Kabul überschattet. Ein Attentäter der radikalislamischen Taliban sprengte sich vor einer Polizeieinrichtung an einer stark befahrenen Verkehrsader im Westen der Stadt in die Luft. Nach Angaben des Sprechers des afghanischen Innenministeriums, Sedik Seddiki, starben dabei mindestens 20 Menschen, 29 weitere seien verletzt worden. In einer E-Mail, mit der die NATO-Militärmission Resolute Support den Anschlag verurteilte, war von 20 toten Polizisten, 25 verletzten Polizisten und sieben verletzten Zivilisten die Rede. In dem Viertel liegen unter anderem auch das Parlament, das Hauptquartier der Grenzpolizei und der Zoo.

   
    (tagesschau.de, 1.2.16)    
         
   

Wir Helfer/innen haben uns dafür zu einem Gruppenbild vorm Hamburger Rathaus zusammengestellt.

Meiner einer ist ganz hinten mit der schwarzen Mütze, von rechts zwischen dem 2. und 3. Rathausfenster.
   

   
   

 

   
14.3.2015
 

Trotz Grenzblockaden ist es lebhaft im Bieberhaus. Zum einen kommen immer wieder Menschen durch, wenngleich wohl nicht über Idomeni, zum andern warten hier viele zerrissene Familien auf ihre unterwegs irgendwo festsitzenden Angehörigen. Und damit können wir uns über Arbeitsmangel nicht beklagen.

   
         
   

Hüftdysplasie.
Das bedeutet, dass der Hüftgelenkkopf nicht ausreichend vom Pfannendach bedeckt ist und leicht auskugeln kann. Um das zu vermeiden, zieht man den Neugeborenen hier Spreizhöschen an, in schweren Fällen wird es operiert. Diese Fehlbildung kommt relativ häufig vor, und die Behandlung ist in Deutschland Routine.
Die 16jährige Afghanin, die heute in mein Sprechzimmer hinkt, hatte nicht so viel Glück. Keine Behandlung nach der Geburt, schon in Afghanistan mehrmals eingerenkt worden, auf der Flucht genügte ein Stolpern, und schon musste irgendwo im Iran oder der Türkei die schmerzhafte Prozedur wiederholt werden. Wie viele Kilometer sie mit dem schmerzenden Bein zurücklegen musste auf ihrer Flucht, weiß niemand.
Die Vorgeschichte erzählen lassen und eine kurze Untersuchung – mehr braucht es für diese wahrscheinliche Diagnose nicht. Die Familie will hier bleiben, so müssten die „Camp“-Ärzte eine vermutlich erforderliche Operation einigermaßen schnell einleiten können, ich schreibe schon mal meinen Info-Zettel. Einstweilen gebe ich dem Mädchen Unterarmgehstützen, davon haben wir genug, und ein paar Schmerztabletten.
Unsicher stakst sie mit den ungewohnten Gehhilfen herum. Aber sie weint nicht mehr. Und als ich eine Stofftasche um den Handgriff hänge, damit sie darin etwas transportieren kann – schließlich hat sie jetzt keine Hände mehr frei – da lacht sie übers ganze Gesicht.

   
         
   

P.S.: Kürzlich hab ich gelesen, dass Schweden zum 30.6. des Jahres mehrere Banknoten aus dem Verkehr zieht. Unter anderem Zwanzig- und Fünfzig-Kronen-Scheine, von denen ich selber noch ein paar habe. Viel wert sind die nicht, aber zum Verfallenlassen zu schade – die von hier immer noch nach Schweden reisenden Flüchtlinge können ein paar Schwedenkronen gut gebrauchen.
Deshalb habe ich dazu aufgerufen, und tu’ es auch hier, alle Scheine, die ihr noch habt, an eine Flüchtlingsberatung zu spenden oder einfach in einen Umschlag zu stopfen und ihn ausreichend frankiert hierher zu schicken:
Transitberatung Bieberhaus
Heidi-Kabel-Platz
20099 Hamburg

   
         
    Und noch’n P.S.:
Ein wie ich regelmäßig am Hauptbahnhof tätiger Kollege, der im Herbst, noch am Container, von einem französischen Fernsehteam interviewt worden war, erhielt vor wenigen Tagen aus Paris eine DVD zum Film „Allemagne, pays refuge“ (Deutschland, Flüchtlingsland), der inzwischen auch im französischen Fernsehen gezeigt wurde. Es handelt sich dabei um einen Film über gehörlose Flüchtlinge, von denen immerhin etwa 50 in Hamburg leben. In sehr überzeugenden, teilweise auch schönen Bildern von Hamburg wird in Gesprächen deren Schicksale aufgezeichnet beginnend mit ihrer Motivation zur Flucht, ihre Schicksale unterwegs, ihr Ankommen am Hauptbahnhof, ihre provisorische Versorgung am Hbf-Vorplatz bis schließlich zum Versuch der sozialen Integration über das Hamburger Gehörlosenwerk mit freiwillig tätigen, ebenfalls gehörlosen Hamburgern, dem Besuch der Gehörlosen-Schule (Erlernen der deutschen Gebärdensprache, die sich unterscheidet von der mancher Flüchtlingsländer) bis endlich zur erfreulichen Unterbringung in eigener Wohnung. Der Film ist sehenswert, weil wir von dieser Problematik keine oder nur geringe Ahnung haben.
Infos zu diesem Film findet Ihr hier:
   
http://www.france5.fr/emissions/l-oeil-et-la-main/diffusions/15-02-2016_458074  
       
    Bis demnächst !    
         
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Letzte Änderung:
31/12/17


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