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"Containertagebuch 35"

Berichte
des Norderstedter Hausarztes
Ernst Soldan über seine Arbeit
mit Geflüchteten und Obdachlosen

   
   
   
    Es ist noch immer nicht klar, wie die Unterstützung der unzweifelhaft vorhandenen Geflüchteten am Hauptbahnhof (siehe z.B. das Lampedusa-Zelt, Text weiter unten) weiter geht. Einerseits gibt es Büroräume, in denen ein medizinisch-therapeutisches Zentrum für Geflüchtete und Folteropfer geplant ist, da könnte ich auch wieder einsteigen; allein die Verhandlungen mit den verschiedenen Trägern dauern an. Parallel dazu sucht die Bieberhausgruppe, die bei Facebook vernetzt ist, Räume für ein Wellcome-Center, d.h. ein Begegnungszentrum für Geflüchtete, Unterstützer und Menschen aus dem Stadtteil, ebenfalls in Hauptbahnhofnähe.
Und es ist mir wichtig mitzuteilen, dass die Solidaritätsarbeit weiter geht unter Beteiligung ganz vieler Aktivisten, in Hamburg, in Griechenland, in Italien …
   
   

Oder dass die mit einem kleinen alten Fischkutter gestartete Rettungsmission Seawatch inzwischen auch mit einem Leichtflugzeug nach schiffbrüchigen Flüchtlingen sucht (der Link ist leider unterdessen nicht mehr im Netz [Red. am 7.12.17]).

   
   

Will sagen, dass auch in Zeiten von Brexit und Fußball-EM die Menschen, die zu uns kommen wollen nicht einfach weg sind, weil weniger über sie berichtet wird. Und dass es jede Menge aktive Unterstützerinnen und Unterstützer gibt, aber es durchaus noch mehr sein können.
Zwischendurch bekomme ich bei einer Ärztefortbildung eine Tasche voller chirurgischer Instrumente mit der Bitte um Weiterleitung z.B an die in Griechenland aktiven Kollegen, was ich gern mache, schließlich gibt’s bei Hanseatic Help ein Riesenlager dafür. Grad letzte Woche ist wieder ein Hilfsmitteltransport von Hamburg nach Nordgriechenland abgefahren, ein größerer Teil der transportierten Ausrüstung kam als Spende von der runderneuerten „Queen Mary“.
Derweil müssen wir auch auf der Straße wieder ein bissl mehr Druck machen, damit sich in den oberen Etagen bei Politik und Wirtschaft etwas bewegt.

   
   

 

   
   

19.6.16
Am Vorabend des Weltflüchtlingstag und zur Untermauerung der Forderung nach offenen Grenzen gab es heute eine bundesweite Menschenkette gegen den Rassismus, insgesamt mit etwa 40.000 Beteiligten, allein in Hamburg laut NDR über 7000. Angesichts des beispiellosen Terrors gegen Geflüchtete, bewusste Verweigerung sicherer Fluchtwege, stattdessen Monsterzäunen und immer öfter Todesschüssen durch Grenzsoldaten wie zuletzt in der Türkei,  …

   
   

Nach Angaben der in Großbritannien ansässigen Beobachtungsstelle erschossen türkische Grenzsoldaten seit Jahresbeginn mindestens 60 Menschen, alles Zivilisten.

Quelle: Klick hier!

   
   

… eines Schandabkommens der EU-Politiker mit einem psychopathischen Massenmörder und Möchtegern-Sultan und in Deutschland (und Österreich) immer offensichtlicherer Analpflege für rassistische Hetzer durch nur noch dem Namen nach „christliche“ Politiker war diese Aktion überfällig.

Mehr zur Menschenkette (der Link ist leider unterdessen nicht mehr im Netz [Red. am 7.12.17]).
   
         
       
   

16:30 Uhr: Der Rathausmarkt füllt sich zögerlich,

   
   
    vom Jungfernstieg her wird er sich zusehends voller, aber auch aus der Mönckebergstraße gibt's ordentlich Zulauf.    

   
   

Dann leert sich der Rathausmarkt, in Richtung Jüdische Gemeinde am Grindelhof sowie zur Al-Nour-Moschee in St. Georg, insgesamt 4,4 Kilometer. Mich zieht’s zu letzterer, an meiner alten Wirkungsstätte Hauptbahnhof vorbei.
In der Mönckebergstraße stehen sie schon dicht an dicht,

   

   
   

vorm Hauptbahnhof ebenfalls –

   
   
    und jetzt sind wir schon am „Lampedusa-Zelt“ vorbei.    
   
         

 

 

(…) Anstatt nach Italien zurückkehren zu müssen, forderte „Lampedusa in Hamburg“ ein kollektives Bleiberecht in der Hansestadt. Mit einer wachsenden Anzahl von Unterstützern wurden Demonstrationen organisiert und Flugblätter verteilt. Unter dem Druck der Öffentlichkeit bot der Hamburger Senat schließlich eine Einzelfallüberprüfung an: Wer sich bei den Behörden melde, solle eine Duldung bekommen und sein Aufenthaltsstatus würde geprüft. Für viele der Flüchtlinge ein fauler Kompromiss. Denn der Ausgang des Verfahrens ist ungewiss, am Ende könnte sogar der Verlust der italienischen Papiere stehen. „Die Definition von Duldung bedeutet kurzzeitige Verschiebung der Abschiebung. Aber ‘Lampedusa in Hamburg’ hat doch schon das Recht zu arbeiten, wir haben alle das italienische Asylsystem durchlaufen“, meint Abimbola Odugbesan, einer der Flüchtlinge. „Was wir brauchen ist die Anerkennung unserer Dokumente, eine Arbeitserlaubnis, so dass wir unseren ökonomischen Beitrag für die Hamburger Gesellschaft leisten können.“
Darum ging auf das Angebot des Senats nur ein kleiner Teil der Gruppe ein. Auf Anfrage von Panorama 3 teilt die Hamburger Innenbehörde mit, es „haben 69 der insgesamt 73 Personen […] einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt“. Wann diese abgeschlossen sei und wie sie ausgehe – das sei ungewiss. Nach Angaben von „Lampedusa in Hamburg“ leben aber mehr als 100 Flüchtlinge in Hamburg, die keinen Kontakt mit den Behörden aufgenommen haben.

Ganzer Text: Klick hier!

Mehr dazu: Klick hier!

   
         
   

Nach der Durchsage um 18:10 Uhr, dass die Kette bis zur Moschee steht,

   
   
    bilden wir im Steintordamm eine Doppelreihe, damit alle Platz haben.    

   
   

Die schwarz-lila Bändchen, die die meisten von uns vorsorglich zur „Abstandsverlängerung“ erstanden haben (nach entsprechenden Erfahrungen bei früheren Menschenketten), waren unnötig, über 7000 Menschen standen dicht an dicht.

   
   

 

   
    In Griechenland sind derweil die Camps direkt an der Grenze geräumt und die Menschen in Militärcamps verfrachtet worden, die Verhältnisse sind dort noch schlechter als in Idomeni:    
   

Es ist erstaunlich, was all die wunderbaren Freiwilligen tun, um die Not der vom Krieg zerissenen Menschen zu lindern. Am 24.5. wurde das Camp nun geräumt und die Menschen wurden mit Bussen auf verschiedene Militärcamps rund um Thessaloniki und ganz Griechenland verteilt. Die Zustände in den Militärcamps sind wesentlich schlimmer als es in Idomeni der Fall war. Derzeit bereiten wir noch unsere Essensrationen in Polycastro zu und liefern sie dann in die diversen Camps. Da dies aber kein Dauerzustand ist, da wir täglich mehrere Hundert Kilometer weit fahren müssen, wird die Küche bald nach Thessaloniki umziehen.
Die Verteilung gestaltet sich jetzt weitaus schwieriger als es in Idomeni war, da wir nicht in jedes Camp hineingelassen werden und sich in unserem Radius 18 Camps befinden. Jedes davon gilt es einzeln anzufahren, provisorische Ausgabestände aufzubauen, sowie etwas Ordnung in die Ausgabe zu bringen und schließlich das Essen zu verteilen. Den Menschen geht es sehr schlecht, weil sie nun der letzten Hoffnung beraubt und teilweise auseinandergerissen wurden und in verschiedene Camps verbracht wurden. Auch die freiwilligen Ärzte haben es nun wesentlich schwerer, die Hilfesuchenden zu finden und zu behandeln. Was wiederum bedeutet, dass die Leute Wunden haben, die nicht vernünftig gereinigt werden und sich entzünden, was wiederum zu katastrophalen Zuständen der Menschen führt. Viele gehen in diesem Stress der Volunteers einfach unter, weil die Zeit fehlt, sich um Einzelfälle zu kümmern oder einfach mal einen Tee zusammen zu trinken und zu plaudern. Gerade diese Teezeiten brachten oft wichtige Informationen, wo gerade dringend Hilfe benötigt wird.

Doch das alles hält uns nicht davon ab, weiterhin alles zu geben, um möglichst allen einmal am Tag ein warmes Essen zu bringen. Ständig passen wir unsere Verteilstrategien den Umständen an und optimieren so gut es geht den Ablauf. Allerdings sind dadurch die Kosten für unsere Arbeit enorm gestiegen, da wir wesentlich mehr Sprit, Volunteere, Fahrzeuge sowie Nahrungsmittel benötigen als vorher. Immer wieder trifft man auf größere Gruppen die ziellos durch die Gegend wandern, weil sie Angst vor den Militärcamps haben. Auch diese Gruppen werden dann noch schnell nebenher versorgt.
Helft uns weiterhin mit euren Spenden all dies zu realisieren. Zusammen sind wir stark und können der menschenverachtenden Politik Europas etwas entgegen stellen und den Menschen in Not die Hilfe zukommen lassen, die sie verdient haben.

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(Verfasser: Oliver Piehl)

   
   

 

   
   

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Bis demnächst!

   
   

 

   
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Letzte Änderung:
31/12/17


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