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"Containertagebuch 42"

Berichte
des Norderstedter Hausarztes
Ernst Soldan über seine Arbeit
mit Geflüchteten und Obdachlosen

   
   
   
9.10.2016  

Die angekündigte Containerladeaktion in Wedel bei Hamburg startet pünktlich um 12:00 bei Nieselregen. Hapag-Lloyd hat Hanseatic Help einen Container zur Verfügung gestellt, der mit Hilfe der niederländischen Hilfsorganisation HRIF auf See soll und nach einer dreiwöchigen Reise in Haiti ausgeladen werden soll. Aber jetzt müssen wir erstmal packen – doch wo sind wir eigentlich hier, im Bunker unter dem Johann-Rist-Gymnasium?
Zitat:

   
   

Im Katastrophen- oder Kriegsfall ist mit einem starken Anstieg des Bedarfs für Krankenhausplätze zu rechnen. Aus diesem Grunde begann man in Westdeutschland bereits Ende der fünfziger Jahre mit dem Aufbau von Ausweich- und Hilfskrankenhäusern. Nach dem Bau der Berliner Mauer und der Kuba-Krise wurden diese Anstrengungen noch verstärkt. Verteilt über das Bundesgebiet entstanden Hunderte von Hilfskrankenhäusern, meist in Schulen, Jugendheimen und ähnlichen Einrichtungen. Bei den meisten davon handelte es sich lediglich um einfache Vorbereitungsmaßnahmen, verbunden mit der Einlagerung von Sanitätsmitteln an einem anderen Ort. Einige wenige Hilfskrankenhäuser entstanden allerdings auch im sogenannten Vollschutz ähnlich einem Zivilschutzbunker mit starken Stahlbetonwänden und -decken, eigener Wasser-, Strom- und Luftversorgung und allem, was man zum autarken Betrieb eines unterirdischen Krankenhauses benötigte.
Zwischen 1964 und 1976 entstand auch in Wedel bei Hamburg in mehreren Bauabschnitten ein unterirdisches Hilfskrankenhaus im sogenannten „Vollschutz“ mit zuletzt 1.694 Betten. Eine Nutzung für den vorgesehenen Zweck also als Notkrankenhaus fand nie statt. Lediglich während einer Übung im Jahr 1975 wurde die Anlage zum Leben erweckt. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden die eingelagerten Sanitätsmittel, Betten und medizinischen Geräte der Hilfskrankenhäuser in den neunziger Jahren als humanitäre Hilfslieferungen in notleidende Gebiete der Welt geschickt.

   
   

Ganzer Text:

   
www.hamburgerunterwelten.de/Hilfskrankenhaus-Bunker-Wedel.html    
         
    Bei feuchten Herbsttemperaturen muss nicht nur gela-den, sondern das Ladegut auch genau dokumentiert werden – die fleißigen Programmierer nutzen jede regenfreie Minute:    
   
   

Die Hilfsgüter werden so gut wie möglich gegen Regen geschützt, sonst kommen sie im Mango Tree Village(Port-au-Prince) verschimmelt an, und das will niemand.

Der Bunkerexpress sorgt für eine schnelle Durchquerung der langen Gänge …

   
       
    … auch der Spaßfaktor kommt nicht zu kurz.    
    Mit diesem Gerät wird nicht nur hochgestapelt, sondern der Stapel auch gewogen …    
       
    … und das Gewogene für den Zoll dokumentiert.    
   

Der Container füllt sich – und ein geschickter Staplerfahrer schafft es …

   
   

   
   

… diesen Stapel, von dem schon drei Kartons abgestürzt sind (die, da feucht geworden, ausgepackt und zurück „in die Elbe“, d.h. ins Hauptlager Große Elbstraße 264 gebracht werden müssen) so hoch zu hieven, dass man die Kartons verladen kann.

Die Kartons müssen im Container gegeneinander abgestützt werden –

   
   

   
   

– die Bälle dienen erstmal als Puffer und erst später zum Spielen.

17:30: Fertig gepackt!

   
       
   

Der Trucker kann losfahren.

   
   

 

   
24.10.16
 

Manchmal ist es praktisch, von einer Fremdsprache zumindest ein paar „heikle“ Wörter zu kennen. Zum Beispiel Periode, Urin, Stuhlgang usw. oder Wörter aus dem Sexualbereich, um die Patient/inn/en nicht in die Verlegenheit einer für sie unangenehmen Umschrei-bung oder einer als unschicklich empfundenen Geste zu nötigen. Oder um sich nicht vor einer andersge-schlechtlichen Übersetzer/in weiter als vermeidbar bloßzustellen.

   
   

Insofern war es praktisch, dass ich das arabische Wort für Hämorrhoiden kannte, weil es während meiner letzten Sprechstunde gleich zweimal hintereinander vorkam, und ich das Problem in Form eines Salbenre-zepts bzw. einer Überweisung zum Proktologen schnell lösen konnte. Denn zu dieser Kenntnis hatte mir mein allerletzter Patient während meiner Tätigkeit als selbständiger Kassenarzt verholfen, am 9. Juli 2015 abends gegen 21 Uhr:
Ein junger Syrer mit minimalen Englischkenntnissen kam in mein Sprechzimmer – „Problem Toalett“. Ich brachte ihn irgendwie dazu, seine Hosen runterzuziehen und wieder hoch, nachdem ich die Bescherung gesehen hatte: „You have Hemorrhoids“ – das Wort verstand er nicht. Ich zog mein Smartphone raus, googelte Deutsch-Arabisch „Hämorrhoiden“ und fand einen für mich unlesbaren arabischen Schriftzug. Zeigte sie dem Patienten: „Ah, BOASSIRR !“
Das Wort werde ich nie vergessen.

   
   

Da hatte ich Glück gehabt mit dem Übersetzungscom-puter, der hätte auch sonstwas daherschreiben können. Mit einer chinesischen Patientin, die sich zur Angewohn-heit gemacht hatte, mir regelmäßig die erhaltenen und für sie unverständlichen Amtsschreiben mitzubringen, hatte ich nicht so viel Glück. Wohl hatte sie immer ein Gerät dabei, das das Eingegebene schriftlich und münd-lich vom Deutschen ins Chinesische übersetzte oder um-gekehrt, aber wenn das Maschinchen ein Wort nicht kannte, dachte es sich ein ähnlich klingendes aus und übersetzte unaufgefordert das.

Jetzt hatte ihr die Krankenkasse einen Organspende-ausweis geschickt. Ich tippte „Organspende“ in den Kleincomputer: Das Wort kannte er nicht und über-setzte stattdessen – Orgasmus.

   
       
   

Bis demnächst!

   
   

 

   
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Letzte Änderung:
31/12/17
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