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"Containertagebuch 43 c"

Berichte
des Norderstedter Hausarztes
Ernst Soldan über seine Arbeit
mit Geflüchteten und Obdachlosen

   
   
   
11.11.2016
Rom, beim Papst
 

Aufgrund des Gerüchts, dass es um sechs Frühstück gibt und um sieben die Busse abfahren, bin ich entsprechend früh auf den Beinen. Zwar hat sich inzwischen das Programm um eine Stunde verschoben, aber die Luft vor der Eingangshalle ist aufgrund der vielen Morgenzigaretten kaum atembar, also ist es Zeit für einen kleinen Morgenspaziergang.

   
   
    Der Ausblick war jeden Morgen phantastisch,
deshalb ist das Datum nicht so wichtig.
   
   

   
   

   
    „Fraterna Domus“ ist kein Gästehaus,
sondern ein Gästedorf.
   
    Nach dem Frühstück wickelt sich ein Buskonvoi die Serpentinen des Monte Musino herunter. Nach Rom führen bekanntlich viele Wege, aber wenn das wie an einem Werktagmorgen alle auf einmal wollen, wird es eng. Irgendwann parken wir trotzdem an der Vatikanmauer. Zwecks besserer Erkennbarkeit und damit wir uns nicht verlieren, haben wir gelbe Rucksäcke bekommen, andere Gruppen haben rote oder blaue.    
   
 

In der Nähe des Tors, das die vatikanische Staatsgrenze bildet, steht ein gepanzertes Militärfahrzeug und zwei mit MP bewaffnete Soldaten. Als ich die photographiere, kommt einer der beiden auf mich zu, verlangt die Löschung des Bildes und überwacht den Löschvorgang – das darf man also nicht.
Am Tor gibt es Sicherheitskontrollen, ich muss mich fast bis aufs Hemd ausziehen, weil das Metallalarmtor jedes Mal quietscht.

Irgendwann sind wir doch alle drin, sogar rechtzeitig zum Empfang des Papstes in der riesigen Audienzhalle Aula Paolo VI, in die 6500 Leute hineinpassen und, wenn man die Sitzplätze ausbaut, mehr als dreimal so viel. Nach einer Eingangszeremonie entsteht am oberen Ende des Saales ein Getümmel – der Papst kommt, sehen können ihn die meisten erst, als er auf der Bühne angekommen ist.

   
   
   
   
   

Franciscus begrüßt uns auf Spanisch, was dazu führt, dass die auf Italienisch vorbereiteten Simultan-
übersetzer in Schwierigkeiten kommen und unsere Übersetzungsgeräte nicht funktionieren. Das tut der Begeisterung keinen Abbruch.

   
   

„Nur derjenige, der fühlt, dass ihm etwas fehlt, blickt nach oben und träumt. Derjenige, der alles hat, kann nicht träumen! (…)
Lehrt uns alle, die, die ein Dach über dem Kopf haben und denen das Essen und die Medikamente nicht fehlen, sich nicht zufrieden zu geben. Mit euren Träumen, lehrt uns zu träumen, ausgehend vom Evangelium, wo ihr steht, im Herzen des Evangeliums.“ (…)
Die Fähigkeit, Schönheit auch in Traurigkeit und Leiden anzutreffen, können nur ein Mann und eine Frau haben, die Würde besitzen. Arm, ja, aber heruntergekommen, nein! Das ist Würde! Dieselbe Würde, die Jesus hat, der arm geboren ist und arm lebte. Ich weiß, ja ich weiß es, dass ihr viele Male Personen getroffen habt, die eure Armut ausnutzen wollten und sie für eigene Zwecke nutzen wollten. Doch ich weiß auch, dass dieses Gefühl, die Schönheit des Lebens zu sehen, diese Würde, euch davor bewahrt hat, zu Sklaven zu werden. Arm ja, Sklaven nein!“ (…)
Die Fähigkeit, solidarisch zu sein, ist eine der Früchte, die uns die Armut schenkt: wenn viel Reichtum da ist, dann vergisst man, solidarisch zu sein, denn man ist an diejenigen gewöhnt, denen es an nichts fehlt.“(…)

Ein weiterer Punkt, den Franziskus aufgriff: Frieden. Denn die größte Armut ist der Krieg“, antwortete der Papst auf das Zeugnis eines Obdachlosen, der ihn dazu aufgefordert hatte, sich weiter für den Frieden in der Welt einzusetzen. Ihr“, so wandte der Papst sich an seine Gäste, ihr könnt Friedensstifter sein, ausgehend von eurer Situation, von eurer Armut. Den Krieg führen Reiche unter sich, um mehr zu haben, mehr Land, mehr Macht, mehr Geld …“ und weiter: Es ist sehr traurig, wenn es zu Krieg unter Armen kommt, denn er ist selten: Aufgrund der Tatsache, selbst arm zu sein, sind sie geneigter, als Friedensstifter tätig zu sein, machen sie Frieden, schaffen sie Frieden, und geben ein Beispiel für Frieden.“

Am Ende dankte der Papst den obdachlosen Menschen für ihr Kommen – und entschuldigte sich im Namen der Kirche und der Gläubigen für diejenigen Katholiken, die wegschauen, wenn sie Arme oder Elendssituationen sehen“. Auch er selbst habe vielleicht nicht immer den rechten Ton getroffen. Ich bitte euch um Verzeihung, sollte ich euch manchmal mit meinen Worten beleidigt haben oder Dinge nicht gesagt haben, die ich hätte sagen sollen. Ich bitte euch um Entschuldigung für jedes Mal, das wir Christen gegenüber einer armen Person oder einer Situation von Armut wegschauen. Verzeihung! Eure Verzeihung für Männer und Frauen der Kirche, die nicht hinschauen wollen oder wollten, ist Weihwasser für uns, ist eine Reinigung und hilft uns dabei, wieder daran zu glauben, dass im Herzen des Evangeliums die Armut als große Botschaft steht und dass wirKatholiken, Christen, alle, eine arme Kirche für die Armen bauen müssen.“

   
         
    Im Anschluss an seine Ansprache begibt sich Franziskus direkt zu den Menschen, die er eingeladen hat:    
   
   
   
   
   

 

  In der Nähe des Papstes zu photographieren ist nahezu unmöglich. Deshalb hat man in seiner Nähe eine Standkamera montiert, deren Bilder auf eine Leinwand übertragen werden. Die hab ich aufgenommen und hier reingesetzt.    
       
   

Bis demnächst!

   
   

 

   
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Letzte Änderung:
31/12/17
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