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"Containertagebuch 45"
Berichte |
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Freitag, 2.12.2016 |
Norderstedt, Segeberger Chaussee 98a |
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10:15 |
Im Laden röhrt eine Flex, davor zwei Streifenwagen mit Besatzung, auf dem Gehsteig ein kleines Häuflein spontan zusammen gefundener Demonstranten hält mit Punkmusik dagegen. Ein Beamter kommt auf uns zu, erklärt uns zu einer „natürlich erlaubten“ Spontankundgebung, möchte aber einen Ansprechpartner haben. Nach kurzer Beratung, und weil ich der Älteste bin, erkläre ich mich dazu bereit. |
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11:00 |
Die Flex hat aufgehört, Nazi-Kunden waren noch keine da, der Parkplatz wird immer voller. Inzwischen sind vier Einsatzwagen der Polizei vor Ort und zwei mit der Aufschrift „Ordnungsamt“. Die Zahl der Demonstranten hat sich von ca. 15 auf 25 erhöht, ein Stadtratsabgeordneter der Linken gibt dem NDR ein Interview, der „Ghettoblaster“ eines Demonstranten versucht mit Punkmusik gegen den Verkehrslärm dieser Durchgangsstraße anzutönen, in der kaum Fußgänger unterwegs sind (so dass wir Schwierigkeiten haben, unsere eben gedruckten Flugblätter los zu werden). |
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11:30 |
Auftritt Pressesprecher der Polizei Segeberg (das ist unsere
Kreisstadt) in Uniform und blauer Weste. Er erklärt der Presse, der
Laden werde geschlossen, weil keine Genehmigung vorliege. Danach werde
ich (als „Versammlungsleiter“) auf den Parkplatz gebeten, und der
Leiter des Ordnungsamts sagt mir das nochmal ganz genau: Es hätte einer
Nutzungsänderung bedurft, die muss erstmal im Bauausschuss genehmigt
werden – oder auch nicht. Wobei der in diesem Jahr nicht mehr
tagt. Solang bleibt der Laden geschlossen (und das ist er,
Anmerkung 10.1.17, immer noch, die Beschriftung ist inzwischen auch
weg). |
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Ich bilde mir jetzt nicht ein, dass allein wir 25 Hanseln und
Greteln in anderthalb Stunden geschafft hätten, wozu die Glinder fünf
Jahre brauchten. Aber unser Protest hat die zuständigen Stellen der
Stadt wach werden lassen, Norderstedt hat ein Image als „weltoffene
Stadt“, an dem alle derzeit im Rathaus vertretenen Parteien beteiligt
sind – so hat auf einer Kundgebung am 18. März 2015 mit eben diesem
Thema auch unser ursprünglich von der CDU nominierter (und kürzlich
ohne Gegenkandidat wieder gewählter) Oberbürgermeister gesprochen (Link
existiert nicht mehr [Red. 7.12.17]). |
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1.1.2017 |
Überall in den Städten sieht man sie, sitzen, knieen oder
stehen, die Bettler/innen aus Rumänien und Bulgarien, oft Roma, aber
nicht nur. Ich hab mir schon angewöhnt, ihnen die Entsorgung meiner
Wasserflaschen zu überlassen, wenn ich sie ausgetrunken habe.
Persönlichen Kontakt hatte ich bisher noch zu keinen dieser Leute. Ich nehme das Marmeladenglas mit dem Urin auf die Toilette mit und halte den Teststreifen hinein: Alles normal, keine Blasen-, insbesondere keine Nierenbeckenentzündung. Dafür schmerzt der ganze Rücken, egal wohin man drückt. Das wundert mich nicht – wenn ich die Leute auf der Straße knieen oder sitzen sehe, tut mir schon vom Hingucken der Rücken weh. Wärme wär nicht schlecht, das verträgt sich aber nicht mit der „Arbeit“, ansonsten Schmerzmittel, wovon ich da lasse, so viel ich habe. In der Hoffnung, dass Magen und Nieren das vertragen. |
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7./8.1.2017 |
Meinen Hanseatic-Help-Einsatz (www.hanseatic-help.org) muss
ich auf Sonntag verschieben, weil heute kurzfristig eine Demo angesetzt
ist gegen die unmenschliche Abschiebepolitik des Hamburger Senats, der
im Gegensatz zu den Nachbarländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen
und Bremen jetzt auch Menschen nach Afghanistan deportiert hat, zum
Teil vorher nach Gestapo-Manier nachts aus den Betten gerissen. Wer
wissen möchte, wie diese unmenschliche Prozedur abläuft, kann sich zwei
NDR-Reportagen dazu anschauen: [Der zweite Link existiert nicht mehr; Red. 7.12.17] Bekanntermaßen, sogar laut „Tagesschau“ [Link ist ebenfalls erloschen; Red. 7.12.17], herrscht in Afghanistan Krieg, und es ist in gar keiner Weise ein „sicheres Herkunftsland“. Auch das Auswärtige Amt hat eine Reisewarnung herausgegeben: |
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Vor Reisen nach Afghanistan wird dringend gewarnt. Wer
dennoch reist, muss sich der Gefährdung durch terroristisch oder
kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein. Auch bei von
professionellen Reiseveranstaltern organisierte Einzel- oder
Gruppenreisen besteht unverminderte Gefahr, Opfer einer Gewalttat zu
werden. |
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Auf die Demo am Samstag sind trotz Blitzeis, Kälte und Regen achthundert bis tausend Leute gekommen: |
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Am Sonntag versuche ich wieder, bei Hanseatic Help gegen den Kistenstapel anzukämpfen, der seit dem letzten Mal nicht kleiner geworden ist. Zwei bekomme ich innerhalb drei Stunden ausgepackt. dabei fällt mir ein T-Shirt auf, das offiziell Größe S hat, aber inzwischen so eingelaufen ist, dass ich es zum Kindertisch hinüberbringe, und ich frage mich, welchen Weg das gute Stück hierher wohl genommen hat: |
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… | ||||
Bis demnächst! |
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Der Soldan-Bericht 45 als PDF zum Download: ——> | Klick hier! | |||
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Letzte Änderung: 31/12/17 |
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