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"Containertagebuch 46"
Berichte |
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Liebe Tagebuchfans, |
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10.3.2017 |
In Horst bei Boizenburg/Elbe gibt es, vollkommen abgelegen, eine ehemalige Kaserne der Nationalen Volksarmee der Ex-DDR. Eigentlich wollte nach der Wende dort niemand mehr hin. Aber zur Zwischenlagerung von Geflüchteten und von Bürokraten, die über den Verbleib der Betroffenen entscheiden sollen, taugt die Anlage bisher doch, man hat sie sogar ausgebaut zu einer „Erstaufnahmeeinrichtung“ für Geflüchtete mit Zuteilung nach MeckPomm oder Hamburg. Etwa 400 Menschen vegetieren dort, dazu eine größere Anzahl Betreuer, Wachleute, Sachbearbeiter – gefühlt parken dort ca. hundert Autos, und die gehören sicher nicht den Geflüchteten. |
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Photographieren ist (eigentlich) verboten, ehrenamtliche Helfer wie wir dürfen nicht ins Camp, und wenn man vor der Kabelbrücke über der Lagereinfahrt steht, überkommt einen schon die Vorstellung, dass da oben eigentlich ein Spruch fehlt, den ich hier lieber nicht hinschreibe. |
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Nach Lauenburg (Schleswig-Holstein) und Hamburg dürfen nur die „Hamburger Flüchtlinge“, für die nach MeckPomm Zugeteilten ist in Boizenburg Schluss. Immerhin wird die Landesgrenze nicht kontrolliert, bisher. |
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„Willkommen“ ist relativ |
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Aus einer Stellungnahme des Flüchtlingsrats Hamburg/Schleswig-Holstein: |
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Es gibt fast keine Infrastruktur, am Wochenende fährt
zwischen dem Lager und den nächsten Ortschaften kein Bus. Der Kontakt
zu Rechtsanwält/innen oder Unterstützer/innen wird durch die
Abgeschiedenheit sehr erschwert oder unmöglich gemacht. Beim Verlassen
des Geländes müssen die Flüchtlinge ihre Personalien abgeben. Im Lager in Horst zu leben, bedeutet für betroffene
Flüchtlinge systematisch entmündigt und erniedrigt zu werden. In Horst
findet ganz offensichtlich politisch gewollte Isolation, Ausgrenzung
und Diskriminierung von Flüchtlingen statt. (…) |
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Um diese Isolation wenigstens ansatzweise zu durchbrechen, fahren Aktivist/inn/en der Antira Horst AG regelmäßig dorthin (Treffpunkt Hamburg Hauptbahnhof 8:00 Uhr jeden 2. und 4. Freitag) und bieten eine Rechts- und medizinische Beratung an, ich war jetzt das erste Mal dabei. Der Flüchtlingsrat hat sich einen Beratungscontainer erkämpft – ob wir hinein dürfen bzw. ob er uns aufgesperrt wird, ist Glücksache. Diesmal hatten wir Glück. |
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Da wir nicht ins Camp hinein dürfen, und unser Container außerhalb desselben liegt, sind wir auf Mund-zu-Mund-Propaganda angewiesen. Die funktioniert heute, und es hat sich eine Gruppe von Menschen aus Afghanistan, Somalia und Tschetschenien eingefunden. Einige haben bereits Ablehnungsbescheide von deutschen oder schwedischen Behörden bekommen und kämpfen jetzt verzweifelt darum, nicht ins Herkunftsland oder nach Schweden abgeschoben zu werden. Denn von dort droht sich die Deportation direkt nach Somalia, selbst wenn die Menschen wie im Fall der Somalierin, die mir das in verständlichem Schwedisch erklärt, acht Jahre dort gelebt haben. Wir sehen einen schwer kriegstraumatisierten Afghanen –
mehrere Angehörige sind vor seinen Anugen von Taliban ermordet worden –
der dringend psychiatrische Betreuung braucht. |
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Und junge Somalierinnen in den Zwanzigern, allesamt mit einer
besonders brutalen Form der Genitalverstümmelung belastet. Die Folge sind
unter anderem erhebliche Menstruationsbeschwerden, Bauchschmerzen und
Harnwegsinfekte. Wenn sie nach Somaila deportiert werden, droht ihnen
außerdem die Zwangsverheiratung mit meist älteren Männern, die sie
nicht kennen und nicht wollen. Über den Camparzt hört man seltsame Sachen. Mit ihm sprechen
können wir nicht, weil man uns nicht hineinlässt. Eine Somalierin
berichtet von einer Ärztin, die nur Deutsch mit ihr gesprochen und sie
weg geschickt habe (ich weiß von manchen DDR-sozialisierten Ärzten,
dass sie kein Englisch können). Wiederum hat die Leiterin der
Einrichtung erklärt, dass es nur einen Amtsarzt, d.h. einen Mann, im
Camp gäbe. Wer also ist die geheimnisvolle Dame? P.s.: |
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(am Ende des Vortrags) | ||||
und hier! | ||||
… | ||||
Bis demnächst! |
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Der Soldan-Bericht 46 als PDF zum Download: ——> | Klick hier! | |||
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Letzte Änderung: 31/12/17 |
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