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"Containertagebuch 64"
Berichte |
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In der hiesigen Zeitung steht eine Kurzmeldung, wonach ein betrunkener Obdachloser
sich am Rand eines U-Bahnhofes zum Schlafen auf die Gleise gelegt habe und nur
aufgrund des beherzten Zugriffs von Passanten davor bewahrt werden konnte,
überfahren zu werden - die sich dabei selber in Lebensgefahr brachten. |
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Horst/Mecklenburg
24.5.19 Auf dem
langen Weg von Afghanistan hierher hat sich der junge Mann nach mehreren
Unfällen sein Knie verschlissen. Bereits in Griechenland haben sie ihm eine
Teilprothese eingesetzt, allein ohne vernünftige Krankengymnastik war es
unmöglich, wieder vernünftig gehen zu lernen und leidlich schmerzfrei zu leben.
Inzwischen haben sie ihm hier eine Totalendoprothese
("künstliches Knie") verpasst. |
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Norderstedt, Juni 2019 Die alte Dame hat sich fast ein Jahr gequält, nach mehreren Schlaganfällen. Anfangs sprach sie etwa so viel Deutsch wie ich Türkisch, was zu einer Basiskommunikation ausreichte. Schließlich verweigert sie Essen und Trinken, kann nicht mehr sprechen, nur noch ja und nein signalisieren - auf meine Frage "hastaneye istiyorsunuz?" - möchten Sie ins Krankenhaus - signalisiert sie "nein". Ein paar Tage später geht auch das nicht mehr. Die Familie pflegt sie liebevoll, aber alle wissen, dass die letzte Reise bevorsteht. Schließlich bekomme ich den Anruf, dass sie eingeschlafen ist. Als ich zu ihr ins Zimmer komme, liegt auf ihrem Bett ein großes Messer, in eine Serviette eingewickelt. Ich, irritiert, frage, was das für eine Bedeutung hat. Das sei "gegen die Bauchgase". Ich nehme das für bare Münze und erkläre - aufgrund meiner Erfahrung aus vielen Leichenschauen, auch bei Verstorbenen, die schon länger liegen - in den ersten 24 Stunden, d.h. länger als sie noch im Haus ist, würde es noch keine "Bauchgase" geben. Daraufhin nehmen sie das Messer weg, ich mache die notwendigen Untersuchungen und schreibe den Totenschein. Beantworte die noch offenen Fragen, wünsche den Anwesenden "Basininiz saholsun", sinngemäß für "Herzliches Beileid", und fahre heim. Am nächsten Tag kommt ein Angehöriger in die Praxis, und ich frage ihn nochmal nach dem Sinn des Messers. Er weiß es auch nicht genau, habe es nur schon öfter bei verstorbenen Landsleuten gesehen. Das Ganze sei ein Ritual, das Messer käme nicht zum Einsatz (was mich schon mal beruhigt). Auf einer Islamseite finde ich einiges zum Thema Umgang mit Verstorbenen. Dort steht, dass es in einigen Regionen üblich sei, den Verstorbenen ein Messer oder einen anderen Gegenstand aus Metall auf den Bauch zu legen, damit es nicht zu einer Gasentwicklung kommt. Welche Vorstellung dahinter steckt - auch scheinbar unsinnige Bräuche haben ja oft einen realen Sinn - habe ich noch nicht herausbekommen. |
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… Ich wünsche Euch allen einen schönen Sommer! |
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Der Soldan-Bericht 64 als PDF zum Download: —> | |||||
Letzte Änderung: 01/07/19 |
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