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"Containertagebuch 44"

Berichte
des Norderstedter Hausarztes
Ernst Soldan über seine Arbeit
mit Geflüchteten und Obdachlosen

 
   
   
5.12.2016  

Seit dem 29.9. gibt es nahe dem Hauptbahnhof in der Adenauerallee 10 das Kompetenzzentrum Migration des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, in dem einige auch im Bieberhaus tätige Gruppen und Helfer/innen eine Weiterbeschäftigung gefunden haben. Die Möglichkeit, Hausarztsprechstunden für Geflüchtete abzuhalten, mit oder ohne Papiere, hab ich dort bisher zwar nicht gefunden, aber vielleicht kommt ja noch was.

   
   

Heute ist wieder ein Koordinatorentreffen vorgesehen, das erste Mal auch mit SEGEMI, die Psychotherapieplätze für traumatisierte Flüchtlinge organisieren.

   
   

Ich bin viel zu früh da und überbrücke die Wartezeit in der Bäckerei XXX* in der wir während unserer Zelt- und Containerzeit am Hauptbahnhof die Toilette benutzen durften. „Ich muss mal in die Bäckerei“ diente nicht unbedingt dem Erwerb von Backprodukten.

   
   

* nach dreitägigen intensiven Beratungen unter Einbeziehungen des zuständigen Hausjuristen haben wir uns schweren Herzens entschlossen, die Bäckerei namentlich nicht zu erwähnen – schließlich sind Urinuntersuchungen auf einer Cafetoilette gesundheitsamtlich nicht geregelt, und wir möchten den netten Leuten nachträglich keinen Ärger bereiten.

   
   

Selber nahm ich manchmal Patientinnen mit, einen Plastikbecher und Urin-Teststreifen, um am dortigen Waschbecken die eine Tür weiter gewonnene Flüssigkeit zu untersuchen – manche Blasenentzündung, aber auch manche Schwangerschaft wurde hier entdeckt.
Nochmals danke!

   
         

14.12.16


 

Mit dem Auto morgens in die Hamburger Innenstadt zu fahren, ist eine Quälerei. Keine Ahnung, ob es mit einem Navi besser ginge – ich hab keines und könnte damit auch nicht umgehen. Und es hilft nicht, wenn auf einmal eine im Stadtplan als durchgängig bezeichnete Straße gesperrt ist und man irgendwo anders entlang fährt. Und als ich endlich die Medikamentenspende in Gesundheitszentrum St. Pauli, dem ehemaligen Hafenkrankenhaus, abgeholt hab, stellt sich die Frage:

Das hätte ich mit Bus und Bahn auch geschafft.

Tabletten wiegen ja nix.

   
   

Warum das Ganze?
Seit dem 7. Dezember biete ich zunächst zweimal pro Monat eine Hausarztsprechstunde in der Norderstedter TAS an (Link läuft nicht mehr [Red. 7.12.17], das ist die Tagesaufenthaltsstätte für Wohnungslose. Zwei Frauen, die sich dort regelmäßig aufhalten, waren zusammen mit der Leiterin beim Papstbesuch dabei, und dort haben wir das schon mal angedacht. Außerdem war man bei Hinz und Kunzt der Meinung, dass die Innenstadt von Hamburg mit Hilfseinrichtungen noch relativ gut versorgt ist, während im Norden und dem angrenzenden Schleswig-Holstein eher Bedarf besteht.

   
   
   

Das aus Containern zusammengebaute Gebäude, das einmal ein Kölner Kindergarten war, steht in der Nähe des Norderstedter „Herold-Center“, offizielle Adresse Lütjenmoor 17a.

Und so trägt mein Containertagebuch jetzt seinen Namen wieder zu recht.
   
   
   

Einzelne Gäste ziehen die Wiese hinter der TAS
einer Tiefgaragenübernachtung vor

   
   

Mit der Versorgung nicht krankenversicherter Menschen hab ich ja langsam Übung, ein bissl helfen die Medikamentenspenden – und Stethoskop, Blutzucker- und Blutdruckmessgerät sowie ein Dokumentationsheft passen bequem in meinen Rucksack. Und wenn ich einmal fachärztlichen Rat brauche, finde ich den hier in der Umgebung bei den Kollegen, mit denen ich Jahrzehnte zusammen gearbeitet habe, schneller als in der Innenstadt, wo ich die Kollegen nicht kenne (wobei man das ändern kann).

   
         
17.12.16  

Wieder mal Arbeitseinsatz der Bieberhausgruppe bei Hanseatic Help. Es würden viel mehr Sortierer/innen gebraucht als da sind, die Kisten mit gespendeter Kleidung etc. stapeln sich, allein heute kommen mehr Spenden an als die Anwesenden in dieser Zeit bearbeiten können.

   
   
    Dahinter: Mein Arbeitsplatz und ein verdeckter Helfer, etwa 190 cm lang …    
         
   
    Diese Kisten sind voll und passen in kein Regal mehr, die Sachen müssen gezählt und verpackt werden.    
         
   
   

Packers Alptraum: Die blaue Kiste ist leer und der Karton noch nicht voll!
Dann darf sie nämlich noch nicht verschlossen werden, weil sie im Stapel sonst zusammengedrückt und beschädigt werden kann. Und die zahlreichen umliegenden Kleidungsstücke sind alles, nur keine Männerpullover Größe L.
Das ist aber fast immer so.

   
   

Schließlich hinterlasse ich die Kiste ungepackt. Irgendwann wird sich der fehlende Pullover noch finden, und es bleibt mir ein Appell an alle die nix zu tun haben: Hanseatic Help braucht Helfer, um die Spenden zu sortieren: Täglich außer Mittwoch 10 bis 20 Uhr, Samstag/Sonntag 12 bis 18 Uhr.

   
    P. s.: Der Container mit Hilfsgütern für das Waisenhaus Mango Tree Village/Haiti – siehe Tagebuch 42 – ist angekommen.
Die Sachen, obwohl an einem Regentag in Wedel verpackt, sind trocken und unversehrt und inzwischen verteilt.
   
    Last not least:    
   

Am vergangenen Mittwoch hat die Bundesregierung eine schwere Menschenrechtsverletzung begangen, indem sie 34 Afghanen nach Kabul deportiert hat. Ein seit 21 Jahren in Hamburg lebender Afghane, der nach Gestapo-Manier morgens um zwei aus dem Bett gerissen wurde, konnte gerade noch durch eine konzertierte Facebook-Aktion gerettet werden:
https://www.hinzundkunzt.de/gericht-stoppt-abschiebung/
34 andere hatten nicht so viel Glück. Weitere Verbrechen dieser Art stehen an. Kümmert Euch um die Menschen in Eurer Umgebung!

   
       
   

Bis demnächst!

   
   

 

   
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Letzte Änderung:
31/12/17
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